Einheit des Rechts und Vielheit der Rechte zwischen Rom und Brüssel

Zu den für das Verständnis antiker wie moderner Kulturen zentralen Grund­phänomenen zählen die Vorstellungen von Recht und Unrecht. Das Prinzip der Einheitlichkeit des Rechts, das auf alle Einwohner eines Staates, Bürger wie Nichtbürger, unterschiedslos angewendet wird, ist dabei eine durchaus junge Errungenschaft. Für vormoderne Herrschaftsgebilde war die Existenz verschiedener Rechtskulturen nebeneinander hingegen eine Selbstver­ständlichkeit. Spätestens wenn eine Bevölkerungsgruppe ihr Herrschafts­gebiet über den ursprünglichen Siedlungsraum hinaus ausdehnte, kam sie in Berührung mit anderen, fremden Rechtskulturen, mit denen sie sich je nach Lage bald mehr, bald weniger auseinanderzusetzen hatte. Dabei herrschte ein stetes Spannungsverhältnis zwischen der Durchsetzung eigener Rechtsvorstellungen und der Hinnahme des Fremden, das durch die Bemühung um die Aufrechterhaltung des Rechtsfriedens und die Akzep­tanz von Herrschaft seine je spezifische Ausprägung erfuhr. Dieses Mit- und Gegeneinander konkurrierender Rechtsvorstellungen in einem aus verschie­denen Einheiten bestehenden Großraum verdient besonderes Interesse. Denn es ist nicht nur ein vormodernes, sondern auch ein gegenwärtiges Phänomen. Vor diesem Hintergrund will das Jahresprojekt die entsprechen­den Erfahrungen im Römischen Reich und in der Europäischen Union ein­ander gegenüberstellen.

Ein erstes Symposion steht unter dem Titel Herrschaftsetablierung im eroberten Raum und in freiwilligen Zusammenschlüssen und wird sich dem Verhältnis zwischen dem neuen politischen Gebilde und der Einwohner­schaft widmen. Dazu sollen historische Erfahrungen aus verschiedenen Zei­ten vorgestellt werden. Zu erkunden ist insbesondere, ob sich dabei be­stimmte Aktionsfelder ermitteln lassen, die bevorzugt strukturellen Eingriffen ausgesetzt waren, da man hier einen besonders starken Regelungsbedarf empfand. Interesse gilt hier nicht nur der Frage, welche Maßnahmen jeweils als erste zur Konsolidierung des neuen Regimes ergriffen wurden, sondern auch, wie sich diese Maßnahmen im einzelnen gestalteten.
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Letzte Änderung: 23.05.2018
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