Rationalitätsstandards und Metapherngebrauch. Die Funktion von Metaphern in der Wissenschaftspraxis

Der aktuelle interdisziplinäre Diskurs setzt in der Regel eine Einheit der Wissenschaft voraus, die auf einer gemeinsamen Rationalität beruhe. Für entsprechend große theoretische Entwürfe, wie eine wissenschaftliche und rationale Einheit konkret aussieht, darf man jedoch skeptisch sein, inwieweit sie außerhalb ihrer Entstehungsdisziplin zur Kenntnis genommen werden. Jenseits strategischer oder rhetorischer Einheitsbeteuerungen ist die Frage nach einer gemeinsamen rationalen Basis der Wissenschaften vielmehr ergebnisoffen zu stellen.

Da auch innerhalb der eigenen Disziplinen theoretischen Texten ein hohes Maß an Fiktionalität anhaftet, erscheint es Erfolg versprechender, zunächst die Denkpraktiken der Disziplinen zu untersuchen. Diesen Denkpraktiken nähern wir uns durch eine Analyse der Sprache, welche die disziplinäre Alltagspraxis deutlich erkennen lassen sollte. Dabei gehen wir davon aus, dass Sprache nicht einseitig das Denken bestimmt, sondern Sprache und Denken sich gegenseitig als gemeinsame logische Struktur formen. Die Sprache muss der Heuristik angemessen sein, sonst taugt sie nicht zum Denkprozess; zugleich formen Sprachform und Sprachbilder auch die Denkstrukturen. Von besonderer Bedeutung erscheinen uns hier Metaphern als eine wesentliche Form dieser Sprachpraxis. Metaphern werden einerseits in der Regel unbewusst gewählt und selten reflektiert, andererseits tragen sie oft zentrale Vorannahmen, Überzeugungen und heuristische Modelle der Disziplinen. Eine Analyse der Metaphern führt daher unmittelbar an die disziplinären rationalen Praktiken. Schon auf den ersten Blick fällt auf, dass zahlreiche Metaphern, wie sie in den verschiedenen Disziplinen gebraucht werden, fachfremd sind, ja aus völlig anderen Lebensbereichen, die weit vom „Zuständigkeitsfeld“ der jeweiligen Disziplin entfernt sind, übernommen werden. Die Mechanismen ihrer Adaption und Transformation könnten daher einen Zugang zur Frage nach gemeinsamen Denkstrukturen im Sinn einer transversalen Vernunft (Welsch) bieten. Dieser Workshop testet, ob diese Überlegungen auch in der Anwendung tragen. Dazu sollen exemplarisch für etwa 15 Disziplinen von den Neurowissenschaften bis zur Theologie der fachinterne Metapherngebrauch und die damit verknüpften Rationalitätsstandards analysiert und fächerübergreifend verglichen werden.

 

Webmaster: E-Mail
Letzte Änderung: 17.12.2010
zum Seitenanfang/up