Die Elite und die "Anderen" im Alten Ägypten

Für das Alte Ägypten ist davon auszugehen, dass unsere textlichen und zum Gutteil auch archäologischen Hinterlassenschaften Produkte der Elite sind. Man hat sich dies aber kaum je bewusst gemacht; bzw. gelegentlich sind solche Quellen sogar unreflektiert als Zeugnisse für Volkskultur herangezogen worden. Indem man sie in ihrer sozialen Herkunft deutlich wahrnimmt, können sie aber nicht nur für die Elite selbst, sondern auch über deren Bild der Nicht-Elite vieles aussagen. Zudem besteht gerade durch die Nutzung der archäologischen Quellen vielfach doch die Option, direkter auf das Leben der einfachen Bevölkerung zugreifen zu können. Die Frage, wie hier in top-down oder bottom-up Prozessen die Bevölkerungsschichten interagierten, ist ein deutlich innovativer Forschungsansatz.

Um die Fragestellung räumlich und chronologisch abzurunden und relevante Expertise einzuholen, sind auch Vertreter der Assyriologie, Klassischen Archäologie, Alten Geschichte, Papyrologie und Koptologie beteiligt, die aus ihrer Sicht zusätzliche Blickwinkel einbringen können.

Zum Thema der Eliten in Ägypten fehlt es derzeit an übergreifenden Untersuchungen, eben weil die inhärente Problematik und das Potential in unseren Quellen bislang erstaunlich wenig gesehen wurde. Untersucht worden sind vorrangig Beamtenkategorien oder die Arbeiter am Königsgrab, die in Deir el-Medineh wohnten.

Einen vergleichweise sehr guten und bewussten Ansatz zeigen die Artikel in dem Sammelband H. Willems (ED.), Social Aspects of funerary Culture in the Egyptian Old and Middle Kingdoms (Leuven 2001), wo die Befunde durchaus unter dem Aspekt von Elite und einfacher Bevölkerung analysiert sind. Manche Aspekte spezifisch der obersten Elite sind auch in R. Gundlach, A. Klug (Hgg.), Der ägyptische Hof des Neuen Reiches (Wiesbaden 2006) angesprochen.

Man kann sich dem Thema sowohl mehr archäologisch als auch mehr philologisch nähern; erst in der Gesamtheit der Zugänge ist auf eine realistisches Ergebnis zu hoffen. Mein eigener Beitrag soll als Eröffnungsreferat die Eigenkategorisierung der Ägypter in Bevölkerungsgruppen vorstellen, wie sie sich in Texten durch alle Epochen zieht, auch um die Frage in den Raum zu stellen, inwieweit das darin zugrunde liegende Dreierschema von irgendeiner Relevanz für die Realität der historischen Zeit Ägyptens ist. Damit soll auch schon die Spannung zwischen geistigem Konstrukt und faktischer Existenz als Leitfrage über die Tagung gestellt werden.

Eliten der Wissenskultur stehen im Zentrum der mehr textlich orientierten Beiträge von Fischer-Elfert, Hoffmann und Hilgert; auch der Beitrag von Roeder, in dem es um Ausbildung geht, zielt in eine ähnliche Richtung. Speziell unter dem Gender-Aspekt nimmt sich auch Kucharek des Themas an. Verknüpfung von Text und Bild versucht Saleh Gräber und ihre Aussagen stehen im Zentrum der Beiträge von Gnirs, Polz, Seidlmayer, Alexanian, Willems und Borg. In ihnen kann man eher die direkten Hinterlassenschaften aller Bevölkerungsgruppen fassen; vielfach bieten sie einen weniger gefilterten Zugang, so dass sie ungeachtet ihrer zunächst spröder scheinenden Aussagen ein wichtiges Korrektiv zu den Texten bilden, aber auch nicht aus sich heraus ohne Hinzuziehung der Texte sinnvoll verstanden werden können.

Die Entwicklung der griechisch-römischen und dann byzantinischen und arabischen Zeit wird in den Beiträgen von Guermeur, Cowie, Schentuleit, Jördens und Richter verfolgt, auch der von Borg bewegt sich in diesem Zeitrahmen. Hier wird die Frage der Kontinuitäten und Brüche ein wesentliches Leitthema sein. Insbesondere ist dabei spannend, ob der enorme Einschnitt in der ägyptischen Kultur, der mit dem Übergang von der traditionellen paganen Welt zum Christentum mit seinem ganz anderen Menschenbild vorliegt, merkliche Veränderungen in den Grundstrukturen herbeigeführt hat.

 

 

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Letzte Änderung: 23.05.2018