Im Namen Gottes. Das theokratische Argument und seine politisch-sozialen Auswirkungen im interkulturellen Vergleich

Die Veranstaltung dient dem Ziel, das Verhältnis von Religion und Politik kultur- und epochenübergreifend anhand eines Extremfalls zu untersuchen: der Theokratie, d.h. der Idee einer Gottesherrschaft auf Erden.

Dabei soll "Theokratie" nicht als konstitutionellen Begriff verstanden werden, der sich Begriffen wie Monarchie, Aristokratie oder Demokratie an die Seite stellen ließe. Die Vorstellung Gottes als handelndem Herrscher kennzeichnet vielmehr ein bestimmtes Normenverständnis, das unabhängig von der jeweiligen Herrschaftsform evoziert werden konnte: Die Theokratie zwingt alle Menschen, unabhängig von ihrem jeweiligen sozialen und politischen Status, gleichermaßen dazu, bestimmte göttliche Normen anzuerkennen und ihr Verhalten danach auszurichten, d.h. den Befehlen Gottes zu gehorchen, wie sie z.B. in den als heilig anerkannten Schriften überliefert sind oder durch Gottes Propheten übermittelt werden. Ungehorsam zieht dieser Weltanschauung zufolge unweigerlich Gottesstrafen nach sich. Weltliche Gesetze und Traditionen gelten dem theokratischen Normenverständnis als nachrangig bzw. – sollten sie den göttlichen Normen zuwiderlaufen – als illegitim. Daß diese Vorstellung den monotheistischen Religionen als Potential inhärent ist, hat Jan Assmann in seiner Untersuchung zur „mosaischen Unterscheidung“ gezeigt.

Als politisches Argument wurde die Theokratie wirksam freilich nur in bestimmten kulturellen Kontexten, mit für die Stabilität der politischen Herrschaft je spezifischen Folgen: der situative Bezug auf die „Königsherrschaft Gottes“ konnte bestehende politische Institutionen und Verfahren stabilisieren oder aber in Frage zu stellen und bot damit ebenso Chancen wie Risiken für die Inhaber politischer Herrschaft. Wer sich auch immer des theokratischen Arguments bediente, besaß damit die Möglichkeit, die konstitutionell etablierten Abläufe politischer Herrschaft zu überschreiten.

Im Rahmen der Tagung sollen verschiedene Typen des theokratischen Arguments zur Sprache kommen und dazu beitragen, ein Konzept zu entwickeln, das den unterschiedlichen Spielarten theokratischer Herrschaftskonzeption Rechnung trägt und damit auch im kultur- und epochenübergreifenden Vergleich eine typologische Klassifizierung ermöglicht. Im einzelnen soll vor allem danach gefragt werden, welche Akteure oder Statusgruppen sich des theokratischen Arguments jeweils bedienten, und welche politischen und gesellschaftlichen Folgewirkungen damit jeweils verknüpft waren. Die unterschiedlichen Typen theokratischer Herrschaft lassen zugleich, so die Ausgangsvermutung, die gesamte Spannbreite des integrativen wie desintegrativen Potentials von (monotheistischer) Religion erkennen und ermöglichen damit Aussagen über das Wechselverhältnis von (monotheistischer) Religion und Herrschaft insgesamt.

 

Prof. Dr. Kai Trampedach

 

Universität Heidelberg

Seminar für Alte Geschichte und Epigraphik

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Letzte Änderung: 23.05.2018
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